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Passion vor Pension: Die Trunser Schnapsidee

Was als Schnapsidee begann, hat sich zu einer Reihe edler Tropfen entwickelt. Sowas passiert, wenn Handwerk kein Muss, sondern Muse ist – und zwei Männer sich für Passion statt Pension entscheiden. 

In der kleinen Destillerie «Daguot» schnurrt die Schnapsbrennanlage an diesem verhangenen Nachmittag wie ein Kätzchen, das sich vor der Nässe in die warme Stube geflüchtet hat. Robert Cathomas, einer der beiden Brennmeister, ist heute nicht da. Er muss gesundheitlich kürzertreten. «Normalerweise sind wir beide hier», entschuldigt ihn Beni Simeon, der andere Brennmeister und Trunser Urgestein, und hält heute allein die Stellung. Gelassen sitzt er am Tisch und beobachtet das glasklare Rinnsal, das aus dem Edelstahlkessel fliesst – «dia letschta Zwetschga vum Jahr». Simeon hat Zeit – oder er nimmt sie sich. Es ist reine Auslegungssache. Feierabend macht er, wenn er nach Hause geht. So einfach ist das. Auf die Uhr schaut er dabei nie. Schliesslich ist sein Arbeitstag längst kein Müssen mehr, sondern ein Dürfen. «Das Erfolgsgeheimnis ist kein Geheimnis – es ist einfach die Leidenschaft», erklärt der Schnapsbrenner, der zusammen mit Geschäftspartner Robert Cathomas nach der Pension das Hobby zum Beruf gemacht hat. Erfolg haben die beiden allemal: Mehrmals wurde ihre Schnapsdestillerie als «Brennerei des Jahres» ausgezeichnet. Ihr Gin ist hochdatiert, und ihr Kirschbrand wurde als bester des Landes gekürt. «Da haben sie besonders in der Innerschweiz gestaunt – ausgerechnet wir, mit unseren Früchten aus der Bündner Bergregion!» Dabei sind nicht nur die Bündner Früchte, sondern auch die Brennmeister selbst in der Szene echte Exoten. Schon ihr Werdegang ist einzigartig.

«Die Schnapsidee kam uns auf der Jagd.» In der Jagdhütte von Beni Simeon oberhalb von Trun schmiedeten Cathomas und Simeon an dunklen Herbstabenden aus der Idee eines klaren Brandes einen klaren Plan. Wenn draussen die Nebelschleier über die grünen Alpwiesen zogen und der Kauz in den Abendhimmel klagte, philosophierten die beiden Weidmänner bei ein, zwei Kurzen lange über ihre Zukunft. Ruhe- oder Unruhestand? Hobby oder Beruf? Pension oder Passion? «Wir machen es entweder ganz oder gar nicht – mehr!» sagten sie sich, als sie beschlossen, das Schnapsbrennen professionell zu betreiben. Sie schrieben sich nach ihrer Pensionierung am Landwirtschaftlichen Bildungszentrum in Cham ein und absolvierten dort ihre Ausbildung zum Brennmeister. Als Belohnung für ihr Diplom schenkten sie sich eine Brennanlage der Spitzenklasse, hergestellt von der Firma Holstein in Markdorf am Bodensee. Von wegen Kätzchen. Eine Holstein ist der Rolls-Royce unter den Brennanlagen, wie gemacht für eine Wohlfühlfahrt auf der Überholspur und völlig ungeeignet für eine Kaffeefahrt für Senioren.

Was in der Trunser Jagdhütte seinen Anfang nahm, wird heute in Ilanz fortgesetzt. Dort befindet sich die Destillerie Daguot. «Das hat sich so ergeben, ist Zufall. Wie so manches im Leben». Kein Zufall ist hingegen die Qualität des Schnapses. Da muss alles stimmen. Ohne Kompromisse, vom Reifegrad der Früchte über die Qualität der Maische bis hin zum Alkoholgehalt. Exakt 42.2% hat übrigens der Gin. «Komma zwei, weil wir zwei Brennmeister und vor allem zwei Freunde sind». Das passt. Den Gin gibt es an diesem Nachmittag neben der schnurrenden Brennanlage zu probieren. Wie er schmeckt? Nach Wachholder aus der oberen Surselva. Nach Daheim. Nach grosser Leidenschaft und tiefer Freundschaft. Einfach hervorragend.

5. Mai 2025 / Tabea Ammann
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